Wir alle wissen, dass es verschiedene Arten von Erklärvideos gibt: Legetrick, Whiteboard Animation Video, Motion Graphics, Comic Stil, 2D, 3D, Mixed Media … und Scribble Videos.
Aber was ist ein Scribble Video?
Es ist das Jahr 2014. In einer Agentur für Marketing und Kommunikation ist die Idee entstanden, einen eigenen Stil für Erklärvideos zu entwickeln. Er sollte reduziert, ausdrucksstark und sympathisch sein. Reduziert, damit die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Botschaft im Video fokussiert bleibt. Ausdrucksstark, um Emotionen zu vermitteln und eine Geschichte erzählen zu können. Und sympathisch, um auch sehr trockene Themen mit einem Augenzwinkern erklären zu können und beim Zuschauer ein Schmunzeln hervorzurufen.
Nach einiger arbeitsintensiver Zeit ist der Stil entworfen, mit dem man die eigenen Erklärfilme zeichnen möchte. Es folgt eine Optimierung für eine einfache und ansprechende Animation in den einzelnen Filmszenen. Danach zeigen Pilotprojekte, dass der Stil sehr gut funktioniert und bei den Kunden gut ankommt.
Jetzt braucht das Kind noch einen Namen. Einfach, nicht zu viel, nicht zu wenig – ein Name, der einfach zu merken ist und auch den Stil beschreibt! Nach reichlich Recherche (auf Englisch war das naheliegendste „Scribe Video“), einem ausführlichen Brainstorming und noch mehr Überlegungen ist der Name entschieden: Scribble Video.
Heute sind Scribble Videos weithin bekannt und sind ein Synonym für handgezeichnete Erklärvideos geworden.
Ein Scribble Video wird oft mit Whiteboard Animation gleichgesetzt. Und das ist auch richtig, dort liegen die Wurzeln dieses Animationsstils.
Eine Whiteboard Animation in ihrer ursprünglichen Form entsteht, wenn ein Vortragender die Kernpunkte seines Vortrags auf einem Whiteboard bildlich festhält, während er spricht. Eine Whiteboard Animation visualisiert einzelne Begriffe und Handlungen und setzt diese visuell in Beziehung zueinander. Da alle Bilder an der Tafel stehen bleiben, hat man am Ende ein Gesamtbild zum Vortrag, eine gute Gedächtnisstütze, um sich das Gehörte merken zu können.
Ein Scribble Video funktioniert ein wenig anders. Die Illustrationen entstehen hier zwar auch durch eine zeichnende Hand auf einem digitalen Whiteboard, es wird jedoch szenenweise eine Geschichte erzählt, die sich daraus entwickelt. Diese Entwicklung ist wichtig, denn eine Geschichte weckt die natürliche Neugierde des Zuschauers und hilft, die vermittelten Informationen gleich im Gedächtnis zu verankern.
Können Scribble Videos Emotionen vermitteln? Bekanntlich reicht es ja nicht aus, nur ein rationales Verständnis bei den Zuschauern zu erzielen, sondern man muss sie auch emotional erreichen, damit sie ins Handeln kommen. Jedes Video hat ja ein Ziel und möchte den Zuschauer zum Handeln bringen. Sind Scribble Videos da nicht zu einfach, um Emotionen zu transportieren?
Diese Frage beantwortet sich von selbst, wenn man weiß, wer diese Art von Videos eigentlich „erfunden“ hat: Es war Walt Disney. In den frühen 20er Jahren produzierte Disney kleine Cartoons, die in den Kinos als Vorfilm liefen und die er „Laugh-O-Grams“ nannte. Gerne mixte er dafür Real- und Animationsfilm. Manchmal filmte er auch einfach nur seine Hand, wie sie Karikaturen zu damals aktuellen Themen zeichnete. Das war spannend und unterhaltsam zugleich – und ohne Frage auch emotional!
Mit einem Scribble Video ist man nicht auf Bilder oder Handlungen aus der realen Welt beschränkt, sondern hat eine Reihe von künstlerischen Möglichkeiten zum fiktionalen Storytelling. Mit Illustrationen lässt sich jedes Setting kreieren, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ob unter Wasser oder auf dem Mond, Einhorn oder eierlegende Wollmilchsau, nichts ist unmöglich.
Haben Sie bei diesen Ausführungen nicht auch schon an La Linea, „The Lineman“ gedacht? Die Abenteuer des „Linienmännchens“ wurden vom italienischen Cartoonisten Osvaldo Cavandoli in den Jahren von 1969 bis 1986 gezeichnet.
„Das großnasige, sehr emotionale, häufig nörgelnde weiße Linienmännchen wird von seinem Schöpfer, dessen zeichnende Hand gelegentlich zu sehen ist, ständig vor neue Herausforderungen gestellt oder muss sich aus ausweglosen Situationen befreien. Dabei entsteht die gesamte Szenerie – samt tierischer, menschlicher oder gegenständlicher „Widersacher“ – meist aus einer durchgehenden Linie, die rechts und links waagrecht aus dem Bild hinausläuft.“ Wikipedia, La Linea
Hier noch interessenhalber ein kurzer Exkurs zur Entstehung von La Linea (aus: Wikipedia, La Linea):
La Linea wurde im Jahr 1969 erfunden, als Osvaldo Cavandoli im Auftrag des italienischen Küchengeräteherstellers Lagostina auf der Suche nach einer graphischen Konzeption für einen Werbespot war. Als gelernter Cartoonist suchte er nach einer neuen Idee, die alles bisherige über Bord werfen sollte: Schlichtheit und Gradlinigkeit statt Farbe und Details. Wichtig waren ihm nur ständige Aktion und Bewegung:
„Ich starrte also auf das weiße Papier und fing an herum zu kritzeln. Meine Hand mit dem Stift war ständig in Bewegung und zog vor meinen Augen Linien. Als ich die Linien insgesamt betrachtete, merkte ich, dass der beste Einfall war, alles auf eine einzige Linie zu reduzieren, und mit dieser einen Linie alles, was ich erzählen wollte, auszudrücken.“
Simple, reduzierte Illustrationen bieten folgenden Vorteil: Je einfacher das Objekt dargestellt ist, desto weniger Aufwand benötigt das Gehirn, um das Bild zu verarbeiten und in Beziehung zu anderen Dingen zu setzen.
Da ein Scribble Video schon von seinem Ursprung her das Überflüssige weglässt – das alles muss ja vor den Augen des Zuschauers gezeichnet werden – benötigt die Konzeption eines Scribble Videos sehr genaue Vorüberlegungen. Das Wichtige muss vom Unwichtigen klar abgegrenzt werden. Gerade diese Verdichtung eines Themas ist das Ziel, das man erreichen möchte. Ein Erklärvideo soll ja kurz sein und auf den Punkt kommen. Dafür sind Scribble Videos das optimale Medium.
Um komplexe Zusammenhänge und Themen einfach zu erklären, ist Einfachheit der Schlüssel. Dazu noch ein kleiner Exkurs in die Geschichte des Designs:
Der Ausdruck „Form follows function“ stammt ursprünglich aus der Architektur und ist Teil „eines berühmten Ausspruchs des amerikanischen Architekten und Hauptvertreters der Chicago School, Louis Sullivan, einem der ersten großen Hochhausarchitekten. Die Fassaden der ersten Hochhäuser waren häufig vollständig ornamentiert worden. Sullivan forderte mit seiner Aussage keinen Verzicht auf Schmuck oder Ornamente. Zum Beispiel sei bei Repräsentationsbauten auch Zierrat ein funktionales Element. Auch Ästhetik und Symbolik selbst haben eine Funktion.“ (aus: Wikipedia, Form follows function)
Man kann also mit Recht daraus folgern, dass wenn eine Sache einfach erklärt werden soll, die verwendeten Bilder auch einfach gehalten werden müssen.
Ein Scribble Video ist immer eine Vereinfachung, eine Komprimierung: nur die entscheidenden Fakten und Vorgänge werden festgehalten. Details dagegen, die zum Verständnis nicht unbedingt benötigt werden, können weggelassen werden.
Hier zeigt sich die Genialität eines Scribble Videos: es zeigt nur das Wesentliche, um ein Thema zu erklären. Dementsprechend braucht es aber für die Aufbereitung eines komplexen Themas eine intelligente Betrachtung. Es ist viel leichter bei einem Prozess oder Vorgang alle Einzelheiten zu erzählen, als sich auf den roten Faden und einen angemessenen Rahmen zu beschränken. Es geht darum, den Kern herauszuarbeiten und alles andere beiseite zu legen.
Gute Erklärvideos erzählen eine spannende Geschichte, mit der sich der Betrachter identifizieren kann. Denn eine Geschichte weckt die natürliche Neugierde des Menschen und hilft, die zu vermittelten Informationen einfach im Gedächtnis zu verankern. Geschichten erzählen ist Teil der Menschheitsgeschichte. Seit der Höhlenmalerei bis zu Shakespeare, seit den Fabeln von Aesop bis zu den Hollywood Blockbustern nutzt man Storytelling, um Menschen zu informieren und zu bewegen. Auch die großen Global Player Apple, Coca Cola und Co. haben das erkannt und verwenden Storytelling in ihren Imagekampagnen.
Auch viele Memotechniken basieren auf diesem Prinzip.
Deshalb erzählt auch ein Scribble Video immer, wenn es irgend möglich ist, eine Geschichte, und zwar nach dem Konzept der klassischen Heldenreise.
Die Heldenreise in ihrer „Urform“ geht zurück auf Joseph John Campbell, Professor für Mythologie. In seinem Buch „The Hero with a Thousand Faces“ (veröffentlicht: 1949) betrachtet Campbell die Märchen, Mythen und Religionen der verschiedensten Kulturen. Als Essenz aus diesen vielen Geschichten entdeckt er die Heldenreise. Es ist die Struktur der erfolgreichsten Geschichten, die auch nach Jahrhunderten noch zitiert werden und Menschen bewegt haben. Im ersten Teil seines Buches definiert er die Heldenreise in 17 Schritten.
Die Heldenreise nach Joseph Campbell:
Aufbruch
1. Im ersten Schritt ändert sich die gegenwärtige Welt des Helden. Er erfährt einen Mangel oder eine plötzliche Aufgabe erscheint ihm.
2. Der Held weigert sich zuerst diese Aufgabe anzunehmen. Er hat noch nicht den Mut über seinen eigenen Schatten zu springen.
3. Der Held macht Bekanntschaft mit einem oder mehreren Mentoren, die ihn ermutigen die Aufgabe anzugehen.
4. Daraufhin hat der Held genug Mut gefasst und macht sich auf die Reise, um die Aufgabe zu bewältigen.
Die neue Welt
5. Dem Helden werden die Probleme der Aufgabe bewusst. Die Probleme drohen ihn zu überwältigen.
6. Es kommen erste richtige Prüfungen auf den Helden zu. Er muss sich unter anderem seinen eigenen inneren Widerständen und Illusionen stellen. In einigen Prüfungen unterliegt er.
7. Der Held erfährt bedingungslose Liebe, die vergleichbar ist mit der Liebe einer Mutter zu ihrem neugeborenen Kind.
8. Der Held trifft auf seiner Reise auf Versuchungen, die drohen, ihn vom Weg abzubringen.
9. Der Held begegnet der stärksten Kraft in seinem Leben, oftmals der Vaterfigur. Diese Begegnung führt zur Versöhnung. Dies ist der wichtigste Punkt der Reise und ebnet den Weg zum Erreichen des eigentlichen Ziels seiner Reise.
10. Hier kommt es nach den Versuchungen und der Versöhnung zur „Erleuchtung“. Der Held entwickelt sich durch seine Erfahrungen weiter und erreicht somit ein höheres Level seiner selbst.
11. Der Held löst die ihm gestellte Aufgabe. Alle früheren Schritte führten zu diesem einen Ziel. Der Held bekommt durch den Sieg Zugang zu einem Schatz, einem Geschenk oder einer anderen Belohnung.
12. Der Held hat in der neuen Welt das Licht und die Glückseligkeit gefunden. Er ist unwillig, in seine normale Welt zurückzukehren und seine Erkenntnisse mit anderen zu teilen.
Rückkehr
13. Der Held flieht mit dem Schatz – vielleicht weil der Schatz gestohlen werden könnte oder weil der Schatz in einer bestimmten Zeit wieder zurückgebracht werden muss.
14. Dem Helden begegnet auf dem Weg eine plötzliche Gefahr. Er bekommt unerwartete Hilfe von außen z.B. in der Form eines zuvor verschwundenen Freundes, der ihn rettet.
15. Der Held schreitet über die Schwelle zu seiner alten Welt zurück. Er benutzt die Weisheit, die er auf seiner Suche gefunden hat, für sein eigenes und für das Wohl seiner Mitmenschen.
16. Der Held ist jetzt Meister von zwei Welten. Er kann die Grenzen jederzeit überschreiten, ohne neue Aufgaben zu fürchten. Er hat ein Gleichgewicht zwischen der inneren und äußeren Welt gefunden.
17. Der Held hat die Freiheit zum Leben erreicht. Er hat keine Furcht mehr vor dem Tod, er kann den Augenblick genießen ohne sich Sorgen über die Zukunft zu machen und ohne das Vergangene zu bedauern.
Christopher Vogler nutzte die Erkenntnisse von Joseph Campbell für seine Arbeit als Drehbuchautor. Vogler ist ein angesehener Lehrer auf dem Gebiet des Drehbuchschreibens.
Er optimierte die Heldenreise von Campbell für die Filmindustrie. Sein Buch „The Writer´s Journey: Mythic Structure for Writers“ (erschienen im Jahr 1992) ist einer der bekanntesten Leitfäden für Drehbuchautoren und Filmemacher. Er arbeitete für namhafte Produktionsfirmen wie Paramount Pictures und Walt Disney Pictures. Seine Filmografie zählt Filme wie König der Löwen und 10.000 B.C.
Scribble Video Heldenreise rafft die Story in 5 Phasen zusammen. So ist es möglich diese bewährte Form von Storytelling in weniger als 3 Minuten zu erzählen:
1. Ausgangssituation
2. Das Problem taucht auf
3. Hilfreiche Intervention durch einen Mentor
4. Bezwingen der Problems
5. Happy End: Erreichen des Ziels mit Belohnung und Call-to-action
Wie bei Whiteboard Animationen zeichnet man in Scribble Videos meistens schwarz auf einem weißen Hintergrund. Man kann es aber auch andersherum machen und weiß auf schwarzen Hintergrund zeichnen, dann erhält man einen Schiefertafel-Effekt.
Wir verwenden Farbakzente in Scribble Videos und setzen diese sehr bewusst ein. Vor allem für Hervorhebung, für besseres Verständnis der Zusammengehörigkeit – z.B. die Firmenfarbe als ein Farbtupfer in der Kleidung der Unternehmensvertreter – und um Stimmungen anzudeuten. Ebenso um die Dinge noch klarer zu strukturieren und zu ordnen.
Wie werden Scribble Videos animiert?
Die Bilder eines Scribble Videos entstehen oft im Zeitraffer durch eine zeichnende Hand. Das ist aber nicht die einzige Art von Animation, die wir verwenden. Die Scribble Bilder können auch per Hand auf die Zeichenfläche geschoben werden, man kann sie ein- und überblenden, so dass die Mimik oder die Bewegungen der Protagonisten wie in einem Daumenkino anmuten, man kann Teile einer Szene ausradieren ... Was eben gerade gebraucht wird ohne von der Kernaussage abzulenken.
Wenn Sie eine Scribble Video Erfolgsgeschichte sehen möchten, dann geht es hier lang:
Scribble Video
Leena Müller
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